Seit 60 Jahren fährt ein Borgward-Tanklöschfahrzeug durch Neudorf-Platendorf. Sein Besitzer Sieghard Deierling hält den Oldtimer fahrbereit und kann es kaum noch abwarten, damit wieder auf Oldtimer-Treffen durchzustarten.
Exakt vor 60 Jahren wurden drei Borgward-Tanklöschfahrzeuge im Landkreis Gifhorn zugelassen – die sogenannten Heidetanker wurden landesweit angeschafft und sollten bei den Feuerwehren, die bis dahin den großen Flächenbränden in Heide und Moor relativ hilflos gegenüberstanden, mehr Schlagkraft verleihen. Eines dieser drei Fahrzeuge kam nach Neudorf-Platendorf und hat seitdem den Ort nicht mehr dauerhaft verlassen. Die am selben Tag in Dienst gestellten Leiferder und Wittinger TLFs sind dagegen längst Geschichte.
Seit etlichen Jahren befindet sich der Oldtimer im Privatbesitz von Sieghard Deierling, der, nur unwesentlich älter als sein Sammlerstück, in jungen Jahren noch auf eben diesem Fahrzeug zum Einsatz gefahren – oder, wie die Ortsansässigen scherzten, geflogen ist. Der Fronthauber entwickelt im Sommer im Motorraum nämlich ein wenig zu viel Hitze, die die damaligen Einsatzkräfte dadurch ableiteten, dass sie die seitlichen Klappen der Motorhaube so aufklappten, dass sie wie Stummelflügel seitlich herausragten.
Die Liste der ausgefallenen Geburtstagsfeiern wird länger
Nur eine Anekdote von vielen, die der Oldtimerfan erzählen kann, der mit dem Borgward schon auf etlichen Oldtimer-Treffen gewesen ist. Und der seit einem Jahr Corona-bedingt zum Ausharren verdammt ist. Der Fahrzeug-Geburtstag kann in diesem Jahr zunächst nicht gefeiert werden, genauso wenig wie das 225-jährige Dorfjubiläum. Und bereits seit dem vorigen Jahr verschoben ist die Feier zur 30-jährigen Partnerschaft der Wehren Hohenleipisch und Neudorf-Platendorf. „Das wird wohl auch dieses Jahr nichts werden“, mutmaßt Ortsbrandmeister Roy Wallner.
Sieghard Deierling ist mit diesem Borgward alt geworden. Inzwischen gibt es kaum noch jemanden, der Borgwards im Einsatz erlebt hat. Diejenigen, die sich daran noch erinnern können, sind dann aber ganz begeistert, wenn sie eine solche Rarität sehen: Der Weg zu einem Oldtimertreffen an der Küste wurde vor über zehn Jahren in Müden/Örtze einmal unfreiwillig gestoppt. Die dortige Feuerwehr hielt den Wagen an und lud die Fahrer erst einmal zum Frühschoppengrillen ein, bevor der Weg nach einigen Fachsimpeleien fortgesetzt werden konnte.
Gute Autos müssen nicht ersetzt werden – sie halten
Kaum dass der Dreinhalbtonner gebaut worden war, war der Hersteller in Konkurs gegangen. „Ein TÜV-Prüfer hatte mal gescherzt: Wenn man dieses Auto sieht, dann weiß man auch warum. Da ist ja alles noch tipptopp“, schmunzelt Sieghard Deierling: „Gute Autos werden nicht ersetzt.“ Ersetzt wurde der Wagen für die Einsatzfahrten der Ortswehr dann aber doch. 1984 durch einen Unimog-TLF, allradgetrieben wie sein Vorgänger – und der ist wenn auch runderneuert immer noch im Dienst. Der Borgward dagegen wurde an das Torfwerk Wulfes verkauft, wo er helfen sollte, beginnende Torfbrände gleich im Ansatz zu löschen.
In dieser Zeit hatte Sieghard Deierling mit Freunden das TLF immer wieder mal ausgeliehen, um damit an Oldtimer-Treffen teilzunehmen. Wegen der naturschutzbedingten Wiedervernässung veränderte das Große Moor sein Aussehen, und als der Torfwerksbesitzer und überregional bekannte Oldtimer-Experte Heiner Wulfes 2004 keine Verwendung für das Tanklöschfahrzeug mehr hatte, galt es Farbe zu bekennen: Der Borgward wurde zurückgekauft – nicht von der Feuerwehr selbst, aber von einigen ihrer Mitglieder.
Zweimal fand in Neudorf-Platendorf das große Borgward-Nutzfahrzeugtreffen statt
Gleich zweimal hatten diese dann in den vergangenen Jahren das internationale Borgward-Nutzfahrzeugtreffen nach Neudorf-Platendorf geholt. Jeweils rund 50 von den ungefähr noch 250 erhaltenen Borgward-Lkws hatten den Weg zu den großen Oldtimer-Spektakeln ins Moordorf gefunden.
Aus privaten oder gesundheitlichen Gründen haben sich die übrigen Eigner inzwischen zurückgezogen, Sieghard Deierling ist dem Oldtimer dagegen treu geblieben. Und so wird aus dem Dorfprojekt allmählich ein Familienprojekt: Sein Neffe Florian und sein Pflegenkel Jeremy wollen sich später einmal darum kümmern: „Der Borgward darf das Dorf nicht verlassen, haben sie mir gesagt“, erzählt er mit ein wenig Stolz in der Stimme.